Den Protest gegen geplante neue Internetgesetze in den USA.
Haben in der vergangenen Woche Millionen Menschen zu spüren bekommen. Vor allem der Ausfall der englischsprachigen Online-Enzyklopädie Wikipedia traf viele Nutzer unvorbereitet, auch wenn er vorher angekündigt worden war. Was ist aber, wenn nicht nur einzelne Websites nicht erreichbar sind, sondern wenn das komplette Internet in einer Stadt oder in einem Staat für einen Tag oder eine Woche ausfallen sollte?
Die Online-Proteste zeigen die Abhängigkeit der Welt vom Internet.
Nun, wir werden es wohl überleben. Ägypten schaffte es im vergangenen Jahr während der Proteste gegen die Regierung von Staatspräsident Hosni Mubarak auch. Und bis in die 90er Jahre hinein entwickelte sich unsere Zivilisation auch ohne Internet ganz gut. Aber heutzutage ist unsere gesamte Gesellschaft so vernetzt, dass ein Rückfall in die 80er Jahre wie eine schwere Naturkatastrophe wäre, sagen Experten.

Keine E-Mail, kein Twitter oder Facebook. Keine Online-Einkäufe, kein Aktienhandel, keine Just-in-time-Lieferungen. Es ist inzwischen schon so, dass nicht nur das gesamte Internet, sondern auch Websites wie Google als Teil einer kritischen Infrastruktur betrachtet werden. «Es würde niemand sterben. Aber, es wäre ein grosses Durcheinander», sagt Mikko Hypponen, Forschungschef der finnischen IT-Sicherheitsfirma F-Secure in Helsinki, über einen möglichen Internetausfall.
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«Was mache ich jetzt mit meiner Zeit?»

Wenn ein grosser Internetausfall länger als ein oder zwei Tage dauern sollte, dann wären die finanziellen Auswirkungen riesig, es würde wohl auch zu Massenentlassungen kommen, sagt Ken Mayland, Präsident der Beratungsfirma ClearView Economics. Es könne zu einem Ansturm auf die Banken und einer allgemeinen Panik kommen, befürchtet Eugene Spafford, Direktor des Zentrums für Erziehung und Forschung zur Informationssicherheit an der Universität Purdue.

Auch die psychologischen Auswirkungen wären wohl riesig. Es wäre ein Gefühl des Verlusts, sagt Kimberly Young, eine Psychologin, die ein Zentrum für Internetabhängigkeit leitet. Und die Menschen stellten sich dann Fragen wie: «Was mache ich jetzt mit meiner Zeit?»

In Ägypten gingen noch mehr Menschen auf die Strasse

Der Ausfall etlicher Websites am Mittwoch war geplant. Aber auch Angriffe von Hackern und Terroristen oder Unfälle könnten dazu führen, dass das Internet in einigen Gebiete ausfällt, sagt Spafford, einer der führenden Experten in Sachen Computersicherheit. In den USA und anderen Industrieländern sei es eher unwahrscheinlich, dass grosse Gebiete ohne Internet dastünden, da es dort mehrfach gesicherte Systeme gebe, erklärt Hypponen. In kleineren Ländern könne das schon eher der Fall sein.

Man muss nur ein Jahr zurück, nach Ägypten blicken, um zu sehen, was passieren kann. Die Regierung Mubarak versuchte damals, die Proteste zu stoppen, indem das Internet abgeschaltet wurde. Die Arbeit von Unternehmen und Banken kam zum Stillstand und auch, wie beabsichtigt, die Fähigkeit der Organisatoren der Proteste, untereinander zu kommunizieren.

Während der fünf Tage, in denen das Internet weg war, sei es nicht nur schwierig gewesen, Proteste zu organisieren, sondern auch, der Regierungspropaganda etwas entgegenzusetzen, sagt Ahmed Saleh, der damals eine Facebook-Seite der Demonstranten betreute. Aber mit der Abschaltung des Internets gingen auch mehr Menschen auf die Strasse, um zu sehen, was los war. «Die Proteste wuchsen und damit auch die Wut gegen die Regierung», sagt Saleh. Das Fehlen des Internets habe es ihm auch erlaubt, «den Moment zu leben», da er nicht mehr durch Tweets und Posts abgelenkt wurde. Die Kommunikation der Menschen sei damit letztlich noch gestärkt worden.

«Die Menschen sind sehr belastbar»

Ein längerer Internetausfall sei zwar unangenehm, aber er könne vielleicht auch wieder ganz andere Seiten in den Menschen hervorkehren, meint Nicholas Christin vom Information Networking Institute der Universität Carnegie Mellon. «Ich glaube, die Menschen sind sehr belastbar.» In einem Urlaub habe er zuletzt auch eine Woche ohne Internet verbracht, sagt Christin. «Die ersten paar Tage waren hart, aber dann war es fantastisch.»

Wenn man es sich aussuchen kann, mag das der Fall sein. Wer beruflich auf das Internet angewiesen ist, sieht es anders. Es sei schon schwierig gewesen, als Wikipedia abgeschaltet wurde, sagt Wyatt McMahon vom Institut für Bioinformatik der Universität Virginia Tech. Wenn das gesamte Internet ausfallen sollte, dann wäre das «mehr als eine Katastrophe», sagt McMahon. «Jeden Tag, jede Stunde nutze ich das Internet für die Arbeit. Wenn also so etwas passieren sollte, dann käme alles zum Stillstand.»
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